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Mannheim, den 10.09.2008

Justizministerium Baden-Württemberg

 Herrn Ministerialdirektor Steindorfner

Schillerplatz 4

70173 Stuttgart

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Entwurf einer Neufassung der Beurteilungsrichtlinie

Ihr Schreiben vom 18.08.2008, Az. 2000/0284

 

 

 

 

Sehr geehrter Herr Ministerialdirektor Steindorfner,

 

besten Dank für Ihre Schreiben vom 18.08.2008 mit der beigefügten Anlage 3 zur Beurteilungsrichtlinie (Anforderungsprofile für die Eingangs- und Beförderungsämter im richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Dienst) sowie vom 25.08.2008.

 

Ihr Schreiben gibt mir Anlass, noch einmal die Grundanforderungen für die Ernennung an einem Obergericht und besonders die – von Ihnen ausdrücklich angesprochene – Frage aufzugreifen, ob und unter welchen Voraussetzungen andere Abordnungen der erfolgreichen Abordnung an ein Obergericht gleichgestellt werden können. Bereits in meinem Brief vom 19.06.2008 habe ich unsere Bedenken vorgetragen. Wir sind der Auffassung, dass als Voraussetzung für die Beförderung weiterhin in aller Regel die Abordnung an das Obergericht verlangt und die Bedeutung dieser Abordnung nicht relativiert werden soll. Auch lehnen wir die Heraushebung anderer Dienststellen durch ausdrückliche Erwähnung in der Anlage 3 ab. Dies möchte ich hier ein weiteres Mal unterstreichen.

 

Zum einen weise ich auf die bereits vorgetragenen rechtlichen Bedenken hin. Durch die grundsätzliche Gleichstellung der Abordnungen an Bundesgerichte und das Bundes- bzw. Landesjustizministerium mit der Abordnung an ein Obergericht wird die Personalauswahlentscheidung auch rechtlich fragwürdig und angreifbar. Tätigkeiten in der Verwaltung erlauben nur sehr bedingt einen Rückschluss auf die Eignung für die richterliche Tätigkeit an einem Obergericht und können dieser daher nicht von vornherein gleichgestellt werden. Auch die Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einem Bundesgericht unterscheidet sich erheblich von der Tätigkeit als Berichterstatter am Verwaltungsgerichtshof. Bei Abordnungen außerhalb Baden-Württembergs, also auch an Bundesgerichte und Bundesministerien, kommt hinzu, dass die Vergleichbarkeit der dienstlichen Beurteilungen nicht gegeben ist. Dies gilt selbst dann, wenn die Beurteilungsrichtlinie des Landes vom 16.04.2002 angewendet wird. Es ist kaum vorstellbar, dass der Beurteiler an einem Bundesgericht oder Ministerium die Beurteilungsskala (Anlage 2 zur Beurteilungsrichtlinie) rechtsfehlerfrei anwenden und den zu beurteilenden Richter in die entsprechende Gruppe bzw. Quote „aller Stelleninhaber vergleichbarer Ämter im Land“ einordnen kann, wie dies in der Beurteilungsskala vorgesehen ist.

 

Neben diesen eher rechtlichen Aspekten möchte ich als Verbandsvertreter aber auch in aller Deutlichkeit auf die praktischen Gesichtspunkte der Akzeptanz von Personalentscheidungen hinweisen. Wenn in der Vergangenheit vor der Beförderung an den Verwaltungsgerichtshof eine Ausnahme von der sog. Erprobungsabordnung gemacht wurde, hat dies unter den Richtern in aller Regel zu langer Diskussion und großer Unzufriedenheit geführt, die sich u.a. in einem Schriftwechsel von Richterräten mit dem Präsidialrat niedergeschlagen hat. Wir würden es sehr bedauern, wenn die weithin gute und kollegiale Atmosphäre in unserer kleinen Gerichtsbarkeit dadurch beeinträchtigt würde, dass bei der sog. Erprobungsabordnung in einer Weise differenziert wird, die von einem großen Teil der Kollegen nicht nachvollzogen werden kann. Besonders bedauerlich wäre es, wenn dies dann in der weiteren Folge auch zu einer erhöhten Zahl von Konkurrentenstreitigkeiten führen würde.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

(Dr. Heckel)

Richter am VGH