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Mannheim, den 23.01.2008

Herrn Ministerialdirektor

Michael Steindorfner

Justizministerium Baden-Württemberg

Postfach 10 34 61

 

70029 Stuttgart

 

 

 

 

 

 

 

Entwurf einer Neufassung der Beurteilungsrichtlinie für Richter und Staatsanwälte vom 16.04.2002

Ihr Schreiben vom 03.01.2008, Az.: 2000/0175

 

 

 

Sehr geehrter Herr Ministerialdirektor Steindorfner,

 

zu dem Entwurf einer Neufassung der Beurteilungsrichtlinie für Richter und Staatsanwälte, die Sie mit Ihrem Schreiben vom 03.01.2008 übersandt haben, nimmt der Verein wie folgt Stellung. Da wir darüber zuvor auf unserer schon länger anberaumten Vorstandssitzung vom 22.01.2008 sprechen wollten, bitte ich um Verständnis für die kurze Überschreitung der Frist zur Stellungnahme, die ich zur Beschleunigung vorab per E-Mail übersende.

 

Bedenklich ist aus unserer Sicht die Frist von sechs Monaten, mit der Richter ab 50 Jahren ihre Einbeziehung in die Regelbeurteilung beantragen müssen (Abschnitt 2 am Ende). Das Gesetz selbst (§ 5 Abs. 5 Satz 2 LRiG) macht den Anspruch auf Einbeziehung lediglich von einem Antrag abhängig, schreibt hierfür aber keine Frist vor. Von daher ist es schon rechtlich problematisch, den Antrag überhaupt an eine Frist zu binden, die den gesetzlichen Anspruch einschränkt und diskriminierende Wirkung haben kann. Eine Präklusion ist im Gesetz nicht vorgesehen. Gegen das Erfordernis einer Antragsfrist spricht der Umstand, dass der jeweilige Dienstvorgesetzte sich ohnehin ein Bild auch von den älteren Kolleginnen und Kollegen ab 50 Jahren machen muss, um sich gedanklich an den in Anlage 2 genannten Richtwerten orientieren zu können (vgl. Abschnitt 4 Absatz 1 des Richtlinienentwurfs). Selbst wenn man aber einen zeitlichen „Vorlauf“ vor dem Stichtag für nötig hält, etwa um dem Beurteiler innerhalb des Beurteilungszeitraums den Besuch einer mündlichen Verhandlung zu ermöglichen, dürften die sechs Monate unverhältnismäßig lange sein. Für den ersten im Richtlinienentwurf vorgesehenen Stichtag kann die Frist ohnehin nicht mehr eingehalten werden, was schon für sich genommen ein Indiz für die unverhältnismäßige Länge der Frist ist.

 

Unvollständig ist der Satz mit den Vorgaben, was die Beurteilungsbeiträge alles können (Abschnitt 3 Absatz 1 am Ende).

 

Schwere Bedenken erheben wir gegen das Beurteilungsverfahren (Abschnitt 3), soweit für die Regelbeurteilung – ausnahmsweise im Falle der Abordnung – das Obergericht oder das Justizministerium zuständig sein sollen (Abschnitt 3 Absatz 3 Sätze 3 bis 5). Unseres Erachtens muss es auch für Abordnungen an ein Obergericht des Landes oder das Justizministerium bei der Grundregel bleiben, dass der Dienstvorgesetzte des Stammgerichts für die Regelbeurteilung zuständig bleibt und die Dienststelle der Abordnung einen Beurteilungsbeitrag leistet. Dies gilt besonders deshalb, weil die Beurteilungsbeiträge stets ohne Vergabe einer vorformulierten Beurteilungsstufe zu erstellen sind (vgl. Abschnitt 3 Absatz 1 am Ende und Anlage 2), die Beurteilungsstufe also letztlich allein vom demjenigen festgesetzt und verantwortet wird, der die Beurteilung erstellt. Bei Richtern am Verwaltungsgericht kann dies wegen der damit verbundenen Einstufung in die Beurteilungsskala anhand der vorgegebenen „weichen Quoten“ aber nur der jeweilige Präsident des Verwaltungsgerichts und nicht das Justizministerium oder Obergericht sein. Diese können die jeweiligen Leistungen, die die Richter vor ihrer Abordnung am jeweiligen Verwaltungsgericht erbracht haben, nicht allein aufgrund des Beurteilungsbeitrags in das Verhältnis zu den Leistungen anderer Richter dort setzen und die für die Quote erforderliche Einstufung vornehmen. Ob die Einholung von aussagekräftige Beurteilungsbeiträgen bei anderen Behörden und Gerichten, etwa beim Bundesverfassungs- oder Bundesverwaltungsgericht, überhaupt praktikabel und sinnvoll ist, können wir nicht abschätzen und wollen deshalb hierzu nichts sagen.

 

Zu der Befugnis des übergeordneten Dienstvorgesetzten, eine Beurteilung dem Beurteiler zur Abänderung zurückzugeben, regen wir die Beibehaltung der alten Formulierung an. Die Richtlinie sollte unseres Erachtens der Praxis entsprechen; dort dürfte einer Weisung doch allemal eine Bitte um Überprüfung vorangehen. Auch erscheint uns die bisherige Formulierung wesentlich besser geeignet, um die Beurteilungsfreiheit des unmittelbaren Dienstvorgesetzten zu gewährleisten, der die betreffenden Kollegen besser kennt und eine weite Einschätzungsprärogative behalten sollte.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

 

Dr. Christian Heckel

Richter am VGH