Mannheim, den 18. März 2008
Herrn Justizminister
Prof. Dr. Ulrich Goll
Justizministerium Baden-Württemberg
Schillerplatz 4
70173 Stuttgart
Dienstrechtsreform - Richterbesoldung
Sehr
geehrter Herr Minister Prof. Dr. Goll,
der
Verwaltungsrichterverein verfolgt mit Interesse die Pläne Ihres Hauses
zur Reform der Richterbesoldung. Auch wenn wir davon ausgehen, im Rahmen
des Gesetzgebungsverfahrens noch angehört zu werden, möchten wir doch
bereits jetzt Ihr Augenmerk auf drei Punkte lenken, die uns besonders
wichtig erscheinen. Da, wie die Erfahrungen etwa bei der Reform des
Disziplinarrechts zeigen, Veränderungen nur schwer zu erreichen sind,
wenn erst einmal ein Gesetzentwurf auf dem Tisch liegt, halten wir es
für sinnvoll, unsere Vorstellungen zu diesem frühen Zeitpunkt in die
Diskussion einzubringen.
Im
Ausgangspunkt anerkennen und begrüßen wir die Überlegungen des
Justizministeriums, die darauf zielen, den bei Beamten für
Leistungselemente zur Verfügung stehenden Besoldungsanteil im Rahmen der
Besoldungsordnung R systemkonform und unter Wahrung der richterlichen
Unabhängigkeit für Verbesserungen der Richterbesoldung zu nutzen. Nach
unserer Auffassung greifen jedoch alle Vorstellungen zu kurz und
erscheinen bedenklich, die zu einer Höherbewertung von
Verwaltungstätigkeiten gegenüber richterlicher Tätigkeit führen würden,
obwohl Verwaltungstätigkeit nicht per se anspruchsvoller und bedeutender
ist als Spruchrichtertätigkeit. Vordringlich erschiene es uns, nicht
einzelne neue Beförderungsämter zu schaffen oder bestehende
Beförderungsämter aufzuwerten, sondern den durch die Föderalismusreform
gewonnenen Spielraum zu nutzen, um einen überfälligen strukturellen
Ausgleich für im Laufe der Zeit eingetretene Nachteile bei der
Richterbesoldung durchzusetzen. Dies erscheint geboten, weil die
Alimentation der Richter seit Einführung der eigenständigen
Richterbesoldung im Jahr 1975 nicht mit der Alimentation der Beamten
Schritt gehalten hat (1.), sie auch hinter der Einkommensentwicklung in
der freien Wirtschaft zurückgeblieben ist (2.) und schließlich ein
Vergleich mit den Richtergehältern in anderen europäischen Ländern den
Schluss nahelegt, dass die Richterbesoldung in Deutschland im
Allgemeinen und in Baden-Württemberg im Besonderen nicht mehr
amtsangemessen ist (3.).
1.
Bei Einführung der Besoldungsordnung R durch das am 1.7.1975 in Kraft
getretene 2. Gesetz zur Vereinheitlichung und Neuregelung des
Besoldungsrechts in Bund und Ländern (BGBl. I S. 1173) ergab der
Zuschnitt der Besoldungsgruppe R 1 im Verhältnis zu der Besoldung nach
den Besoldungsgruppen A 13/14/15 (Durchstufung) je nach Lebensalter
unterschiedlich hohe Mehrbeträge. Die Besoldungsgruppe R 1 stellte
sicher, dass die beim 31. Lebensjahr beginnende Besoldung eines Richters
sich aus Gründen der Chancengleichheit nicht wesentlich von der
Besoldung eines gleichaltrigen Beamten in der Eingangsbesoldungsgruppe A
13 entfernte. In der Endstufe belief sich das R 1-Gehalt auf einen
Mehrbetrag von 93,52 DM gegenüber der Endstufe A 15. An diesen
Relationen hat sich bis heute nichts wesentliches geändert. Gleichwohl
hat sich eine Schieflage dadurch ergeben, dass sich heute auch aufgrund
diverser Stellenanhebungen in der allgemeinen Verwaltung die
Beförderungschancen dort deutlich verbessert haben, während der
Stellenkegel in der Justiz unverändert geblieben ist. Mit der
Durchstufung der R1-Besoldung sollte aber gerade erreicht werden, dass
ein Richter, der – was nicht selten vorkommt – mit R 1 in den Ruhestand
versetzt wird, sich nicht schlechter steht als ein Beamter des höheren
Dienstes in der Innenverwaltung, der die üblichen Beförderungsämter
durchlaufen hat. Die seit 1975 in der Innenverwaltung vorgenommenen
Stellenanhebungen – jüngst wurde beschlossen, die Referatsleiterstellen
in den Regierungspräsidien mit A 16 zu bewerten – haben dazu geführt,
dass die Aussichten für die Beamten des höheren Dienstes in der
Innenverwaltung, mit einem Ruhegehalt aus A 16 oder höher in Pension zu
gehen, sich gegenüber denen von Richtern, ein (vergleichbares)
Ruhegehalt aus R 2 oder höher zu erreichen, erheblich verbessert haben.
Der dadurch eingetretenen Schieflage muss unseres Erachtens zur
Wiederherstellung der Amtsangemessenheit der Richterbesoldung im Rahmen
der anstehenden Strukturreform durch eine Durchstufung der R1-Besoldung
bis zur Besoldung nach der Besoldungsgruppe A 16 Rechnung getragen
werden. Die R 2-Besoldung muss sich dementsprechend in der Endstufe an
der B 2-Besoldung orientieren.
2.
Das Zurückbleiben der Richterbesoldung hinter den in der freien
Wirtschaft zu erzielenden Einkommen wird bereits bei der
Eingangsbesoldung deutlich, die sich seit Einführung der eigenständigen
Richterbesoldung deutlich verschlechtert hat. 1975 setzte die R
1-Besoldung mit der heutigen Stufe 3 (Lebensalter 31 Jahre) ein. Durch
die Dienstrechtsreform 1997 (Gesetz vom 24.2.1997, BGBl. I S. 322)
wurden zwei niedrigere Stufen vorgeschaltet, die bereits zu einer
deutlichen Absenkung der Einstiegsgehälter geführt haben. Verschärft
wurde dies durch die landesrechtliche Regelung des § 1a
Landessonderzahlungsgesetz, nach welcher nach dem 31.12.2004 neu
eingestellte Richter für die Dauer von drei Jahren keine Sonderzahlungen
erhielten. Diese Regelung wurde nunmehr in § 3a LBesG in der Form
übernommen, dass für die Dauer von drei Jahren die Grundgehälter und
Amtszulagen um 4 % abgesenkt werden (vgl. Art. 2 Nr. 1 BV AnpG 2008 vom
11.12.2007, GBl. S. 538). In ihrer Kumulation führen diese Regelungen zu
einer auf Dauer nicht hinnehmbaren Unterschreitung der amtsangemessenen
Besoldung. Die amtsangemessene Richterbesoldung ist auch Ausdruck der
Attraktivität des Amtes für qualifizierte Kräfte (vgl. BVerfGE 99, 300).
Die Attraktivität der Besoldung für qualifizierte Kräfte gewinnt für den
Richterbereich besondere Bedeutung durch die richterliche
Unabhängigkeit. Diese sichert nicht nur dem gesamten Staat die
lebensnotwendige Neutralität, sondern sie lockt – was geradezu erwünscht
ist – zugleich Persönlichkeiten an, die das grundgesetzliche Richterbild
am Besten ausfüllen. Dieser Funktion wird die Richterbesoldung gerade in
den Eingangsstufen immer weniger gerecht. Angesichts der hohen
Anforderungen, die – zu Recht – an die Bewerber für den höheren
Justizdienst des Landes gestellt werden, verbietet sich ein Vergleich
mit den Anfangsgehältern, die einem angestellten Rechtsanwalt als
Berufsanfänger im Durchschnitt gezahlt werden. Bezugspunkt müssen
vielmehr die Anfangsgehälter sein, die ein Volljurist mit vergleichbar
guten Examina, wie sie im Staatsdienst vorausgesetzt werden, im
Anwaltsberuf erzielen kann. Hier droht der Staat im Wettbewerb um die
besten Köpfe gegenüber renommierten Großkanzleien den Kürzeren zu
ziehen. Langfristig steht damit auch das hohe Ansehen, welches die
baden-württembergische Justiz – wie auch die jüngsten
Bundesrichterwahlen erneut belegen – bundesweit genießt, auf dem Spiel.
3.
Schließlich deutet auch ein Vergleich mit den Richtergehältern in
anderen europäischen Ländern darauf hin, dass die Richterbesoldung in
Baden-Württemberg nicht (mehr) amtsangemessen ist. Die Höhe und die
Entwicklung der Richtergehälter bei vergleichbaren Richterämtern in der
Europäischen Union ist als weiteres Anpassungskriterium vom Gesetzgeber
zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber darf Besoldung und Versorgung nicht
von der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung – wozu auch die ökonomische
Entwicklung in den anderen EU-Staaten gehört – abkoppeln (vgl. Battis,
DRiZ 2002, 117). Eine zum Stichtag 31.12.2004 durchgeführte Erhebung der
Europäischen Richtervereinigung (EVR) zu den Richtergehältern in 29
europäischen Ländern hat ergeben, dass in Deutschland das
Mindesteinkommen eines Richters nur unwesentlich über dem
Durchschnittseinkommen aller abhängig Beschäftigten liegt. Die EVR
vertrat hierbei die zutreffende Auffassung, dass das Einkommensniveau
auch den Status des betreffenden Berufes angemessen widerzuspiegeln
habe. Bei den Richtergehältern in einem hochentwickelten Staat wie
Deutschland sei ein solcher Zusammenhang kaum noch feststellbar, weil in
Deutschland das Verhältnis zu den Durchschnittseinkommen aller abhängig
Beschäftigter lediglich bei 1,4 liege, während dieser Verhältniswert in
den meisten EU-Staaten deutlich höher ausfällt. Die Richtergehälter in
Deutschland bewegen sich im EU-Vergleich an vorletzter Stelle; nur die
Richtereinkommen in Luxemburg weisen mit einem Wert von 1,2 einen noch
geringeren Abstand zu den Durchschnittseinkommen auf (vgl. DRiZ 2006,
301).
Wegen der Beihilfe für Familien mit Kindern verweise ich auf das
beigefügte
Flugblatt des BDVR, das wir Ihnen bereits bei unserem Besuch am
11.4.2007 übergeben hatten.
Ich
möchte Sie ermutigen, die aufgezeigten Gesichtspunkte bei der
anstehenden Reform zu berücksichtigen und auch gegenüber dem
Finanzministerium und den übrigen Ressorts offensiv zu vertreten.
Mit
freundlichen Grüßen
Dr.
Heckel
Richter am Verwaltungsgerichtshof
|