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Sigmaringen, den 28.11.2011

Ministerium für Finanzen und Wirtschaft

Baden-Württemberg

Schlossplatz 4

70173 Stuttgart

 

 

vorab per E-Mail

 

 

zweite Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen 2012 sowie über die Einmalzahlung in 2011 in Baden-Württemberg (BVAnpGBW 2012)

 

Ihr Schreiben vom 16.11.2011

Ihr Az.: 1-0320.0-02/27

 

 

 

Sehr geehrter Herr Ministerialdirektor Leidig, sehr geehrte Damen und Herren,

 

für die Übersendung des oben genannten Gesetzentwurfs bedanke ich mich im Namen des Vereins der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter Baden-Württemberg.

 

Zu dem geänderten Gesetzentwurf selbst ist aus der Sicht unseres Vereins folgendes zu bemerken:

 

1. Zeitliches Hinausschieben der Anpassung der Besoldung und Versorgung im Vergleich zum Tarifbereich

 

Das zeitliche Hinausschieben der Anpassung der Besoldung und Versorgung im Vergleich zum Tarifbereich entbehrt jeglicher sachlichen Rechtfertigung und wird von uns abgelehnt. Entgegen der für diese Maßnahme angeführten Begründung leistet diese keinen Beitrag zu einer nachhaltigen und generationengerechten Finanzpolitik. Das bestehende strukturelle Defizit im Landeshaushalt wird durch die zeitliche Verschiebung der Besoldungserhöhung um keinen Cent vermindert. Die Maßnahme vermag daher zu einer nachhaltigen Haushaltskonsolidierung nichts beizutragen. Vielmehr ergibt sich lediglich für den Haushalt 2012 ein Einmaleffekt von geringem Nutzen, der allenfalls der Haushaltskosmetik dient.

 

Gerechtfertigt wäre die Verschiebung nur dann, wenn auch ohne die Anpassung der Bezüge eine angemessene Alimentation gewährleistet wäre. Dies ist jedoch für den Bereich der Richterbesoldung, auf den sich diese Stellungnahme entsprechend unseres Vereinszwecks beschränken soll, nicht der Fall. Vielmehr ist bereits heute von einer verfassungswidrigen Unteralimentation der Richterinnen und Richter auszugehen. Wir verweisen hierzu auf die als Anlage beigefügte Stellungnahme des Bundes deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen - BDVR - zur Frage der amtsangemessenen Besoldung von Richterinnen und Richtern vom 25. Juli 2011, die wir uns inhaltlich in vollem Umfang zu eigen machen.

 

 

2. Zeitliche Staffelung der Anpassung der Besoldung und Versorgung nach Besoldungsgruppen

 

Mit der vorgesehenen zeitlichen Staffelung (Anpassung zum 1. März 2012 für die Anwärter und die Beamten der Besoldungsgruppen A 5 bis A 10, Anpassung zum 1. August 2012 für die übrigen Besoldungsgruppen) wird, wenn auch nur für einen begrenzten Zeitraum, das Gefüge der Besoldungsgruppen zueinander gestört. Damit wird für die Beamten der höheren Besoldungsgruppen und insbesondere für den gesamten Bereich der Richterbesoldung der Grundsatz der Amtsangemessenheit der Besoldung verletzt. Dies lehnen wir ab. Die zur Begründung der zeitlichen Staffelung angeführten sozialen Gründe sind in diesem Zusammenhang verfehlt. Die Alimentation ist nicht Ausfluss der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Staatsdienern. Die dienstrechtliche Fürsorge im Speziellen ist wie die staatliche Wohlfahrt im Allgemeinen egalitär insoweit, als sie alle nach dem Maß ihrer Unterstützungsbedürftigkeit gleich zu behandeln sucht. Demgemäß ist die aus der Fürsorge abgeleitete staatliche Beihilfe in Krankheitsfällen gemäß dem überlieferten Prinzip für sämtliche Beamten und Richter gleich hoch, differenziert vornehmlich nach dem Familienstand, jedenfalls nicht nach dem beruflichen Stand. Im Unterschied dazu lässt sich die standesgemäße Alimentation, wie das Grundgesetz sie vorschreibt, durchaus als elitär bezeichnen. Kennzeichnend dafür ist der verfassungsrechtlich anerkannte Begriff des Abstandsgebots. Die Verfassung verbietet eine weitgehende Einebnung der Besoldungsgruppen. Der Gesetzgeber hat einen Gestaltungsraum, in welchem er die Zahl der ausgebrachten Besoldungsgruppen, den finanziellen Unterschied zwischen den Besoldungsgruppen und die Zuordnung von Ämtern zu definierten Besoldungsgruppen variieren darf. Der Gesetzgeber hat allerdings nicht die Gestaltungsfreiheit, das verfassungsrechtliche Abstandsgebot auszuhöhlen oder die angemessene Bezahlung nach politischem Belieben außer Acht zu lassen. Die Legislative muss vielmehr in der Besoldungsgesetzgebung erstens Sachwalter der schutzwürdigen Interessen des staatlichen Personals sein, sie muss zweitens systemgerecht handeln und drittens bei der Alimentation der Richterinnen und Richter die besondere Stellung der Judikative beachten. Die in der Besoldungsgesetzgebung zu verzeichnende Tendenz zu einer schleichenden Einebnung des verfassungsrechtlichen Abstandsgebots wird durch die hier vorgesehene zeitliche Staffelung der Besoldungsanpassung weiter verstärkt.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Dr. Christian Heckel

Richter am VGH

 

1 Anlage