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An das

Justizministerium Baden-Württemberg

Frau Ministerialdirektorin Bettina Limperg

Postfach 103461

70029 Stuttgart

 

 

vorab per E-Mail: …

 

 

Karlsruhe, den 8. September 2013

 

 

Stufenvertretungen im richterlichen und staatsanwaltlichen Bereich; Ihr Schreiben vom 4. Juni 2013 (Az. 2701/0038) sowie Schreiben von Herrn Justizminister Stickelberger vom 4. Juni 2013

 

 

Sehr geehrte Frau Ministerialdirektorin Limperg,

 

der Verein der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter Baden-Württemberg bedankt sich herzlich für die Gelegenheit, zum Themenbereich „Stufenvertretungen“ Stellung nehmen zu dürfen, sowie für das angenehme Gespräch mit Ihnen sowie Herrn ... und Frau … am 31. Juli 2013 im Justizministerium.

 

Der Vorstand des Vereins hat sich ausführlich mit dem Themenbereich - auch unter Berücksichtigung von Anmerkungen und Anregungen der Mitglieder hierzu sowie der Erkenntnisse aus dem Gespräch mit Ihnen - beschäftigt.

Der Verein begrüßt, dass das Justizministerium sich nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Landesrichtergesetzes vom 16. April 2013 nunmehr diesem für die Richterschaft, nicht zuletzt für die für von uns vertretenen Verwaltungsrichterinnen und -richter, sehr wichtigen Bereich angenommen hat. Es dokumentiert durch seine ernsthafte Bereitschaft, Verbesserungen bei der Beteiligung der Richterinnen und Richter einzuführen, eine Fortsetzung der Politik des Gehörtwerdens und der Transparenz.

 

In Baden-Württemberg besteht derzeit eine im bundesweiten Vergleich sehr ausgeprägte Beteiligung der (Verwaltungs-)Richterinnen und Richter bei einzelnen Personalentscheidungen, hingegen überhaupt keine Beteiligung in überörtlichen allgemeinen und sozialen Angelegenheiten. Für die Richterschaft wichtige Fragen, etwa der Erlass von Beurteilungsrichtlinien, die Erstellung eines Personalentwicklungskonzepts, die EDV-Ausstattung der Arbeitsplätze oder die Ausgestaltung der elektronischen Akte oder des elektronischen Rechtsverkehrs können ohne jede Beteiligung entschieden werden. In der Praxis eingesetzte Arbeitsgruppen oder durchgeführte informelle Anhörungen können dieses Defizit nicht beseitigen.

 

Ausgehend von diesem Befund sollte die Beteiligung der (Verwaltungs-)Richterinnen und Richter nach einer Änderung des Landesrichter- und -staatsanwaltsgesetzes (LRiStAG) aus Sicht des Vereins nach folgenden Grundsätzen ausgestaltet sein.

·    Der Präsidialrat bleibt ohne Einschränkung das Beteiligungsgremium bei Personalentscheidungen, die einzelne Personen betreffen. Er wird sogar bei weiteren solchen Personalentscheidungen beteiligt: (1.) bei Abordnungen von Richterinnen und Richtern an Verwaltungsstellen, insbesondere in die Ministerialverwaltung, und als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter an die Bundesgerichte einschließlich dem Bundesverfassungsgericht, (2.) in dem Fall, dass eine Richterin oder ein Richter tatsächlich entsprechend der gemäß § 7 Abs. 2 LRiStAG verlangten Bereitschaft an einem anderen Gericht desselben Gerichtszweigs verwendet werden soll,[1] und schließlich (3.) bei der Auswahl der von der Landesregierung bei den Bundesrichterwahlen vorgeschlagenen Richterinnen und Richter. § 33 Abs. 2 LRiStAG ist um diese Fälle zu erweitern.

 

  • Zur Beseitigung des unbefriedigenden Zustands bei der Beteiligung in allgemeinen und sozialen Angelegenheiten ist im Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit ein überörtliches Beteiligungsgremium zu schaffen. Dieses Gremium könnte beispielsweise als „Richterrat der Verwaltungsgerichtsbarkeit“ oder als „Hauptrichterrat beim Verwaltungsgerichtshof“ bezeichnet werden. Es sollte fünf Mitglieder haben; dabei entsendet jeder der fünf örtlichen Richterräte eines seiner Mitglieder. Das Beteiligungsgremium arbeitet sowohl mit der Präsidentin bzw. dem Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs als auch mit der Justizministerin oder dem Justizminister zusammen. Es ist also sowohl „Bezirksrichterrat“ als auch „Hauptrichterrat“. Die Schaffung eines eigenständigen Beteiligungsgremiums für die Verwaltungsrichterinnen und -richter (und entsprechend für die Richterinnen und Richter der anderen Gerichtsbarkeiten) auch im Verhältnis zum Justizministerium halten wir insbesondere deshalb für erforderlich, weil nur auf diese Weise gewährleistet ist, dass ihre spezifischen Interessen auch gegenüber dem Ministerium zum Ausdruck gebracht werden können. Bei einem gemeinsamen Beteiligungsgremium aller Richterinnen und Richter wäre dies, selbst wenn ein „Minderheitenschutz“ (etwa in Form einer Mindestvertretung von Richterinnen und Richtern aus den Fachgerichtsbarkeiten) gewährleistet wäre, nicht der Fall. Die notwendige Koordination der aus unserer Sicht zu schaffenden Gremien könnte durch die Einführung eines Einigungsstellenverfahrens erreicht werden, das so ausgestaltet werden muss, dass notwendige Entscheidungen auch zeitgerecht getroffen werden können. Die Mitbestimmung wäre darüber hinaus bei einer solchen Lösung von mehr Repräsentanz der Kolleginnen und Kollegen vor Ort getragen.

 

  • Bedarf für eine Freistellung von Richterinnen und Richtern für die Arbeit in der Stufenvertretung in der hier vorgeschlagenen Form sieht der Vorstand des Vereins nicht. Dies dürfte auch aus haushaltsrechtlichen Gründen zu begrüßen sein. Freistellungen sollten jedenfalls nicht zulasten einer Gerichtsbarkeit, sondern gleichmäßig zulasten aller Gerichtsbarkeiten gehen.

 

  • Die Beteiligung der Richterinnen und Richter in allgemeinen und sozialen Angelegenheiten sollte abschließend im Landesrichter- und -staatsanwaltsgesetz und nicht durch die Anordnung der entsprechenden Anwendung von Vorschriften des Landespersonalvertretungsgesetzes geregelt sein. Zum einen vermeidet eine derartige Regelungstechnik Schwierigkeiten bei der Auslegung dessen, was unter „entsprechender Anwendung“ zu verstehen ist. Zum anderen sind Richterinnen und Richter eben keine besonderen Beamtinnen und Beamten, sondern durch das Grundgesetz mit Unabhängigkeit ausgestattete Angehörige der Dritten Gewalt.

 

  • Die Beteiligungstatbestände und -verfahren sind an der spezifischen Betroffenheit der Richterinnen und Richter unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben, nicht zuletzt der richterlichen Unabhängigkeit, auszurichten. Aus Sicht des Vereins sollten die Beteiligungstatbestände auf für die Richterinnen und Richter besonders wichtige Angelegenheiten ausgerichtet sein. Die eingangs aufgezählten Gebiete sollten sie auf jeden Fall abdecken.

 

  • Der Verein hält es darüber hinaus für wünschenswert, dass die Einbeziehung aller Richterinnen und Richter einschließlich ihrer Berufsvertretungen bei sie betreffenden Maßnahmen - wie sie bei der Erstellung des Personalentwicklungskonzepts oder nun auch zum Thema der Stufenvertretung stattgefunden hat - in Form eines Anhörungstatbestandes gesetzlich verankert wird. Eine derartige Anhörung könnte - gerichtsbarkeitsbezogen oder gerichtsbarkeiten­übergreifend - im Vorfeld der Beteiligung der Stufenvertretung unbürokratisch in Form einer „Mail an alle Betroffenen“ erfolgen. Auf diese Weise kann das Wissen und die Kreativität aller Richterinnen und Richter in die Entscheidungsfindung einfließen und so die Qualität der Entscheidungen verbessern.

 

 

Der Verein der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter ist gerne bereit, das weitere Verfahren bei der Einführung von Stufenvertretungen konstruktiv zu begleiten.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

gez. Dr. Wolfgang Schenk

Richter am Verwaltungsgericht



[1] Eine Beteiligung in diesem Fall erübrigte sich natürlich, wenn die Änderung des Landesrichter- und -staatsanwaltsgesetzes dazu genutzt werden würde, diese Vorschrift aus dem Gesetz zu entfernen (zur Kritik des Vereins an dieser Vorschrift vgl. bereits unserer Schreiben an Herrn Justizminister Stickelberger zu dem Entwurf eines Personalentwicklungskonzepts vom 16. Februar 2003).