Karlsruhe, den 16. Februar 2013 An das Justizministerium Baden-Württemberg Herrn
Minister Rainer Stickelberger
Personalentwicklungskonzept für Richterinnen und Richter sowie
Staatsanwältinnen und Staatsanwälte; Ihr Schreiben vom 22. Januar 2013
Sehr geehrter Herr Minister Stickelberger,
im Namen des Vereins der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter
Baden-Württemberg bedanke ich mich herzlich für die Übersendung des
Entwurfs eines Personalentwicklungskonzepts sowie die Gelegenheit,
hierzu Stellung zu nehmen.
Der Vorstand des Vereins hat sich ausführlich mit dem Entwurf
beschäftigt. Der Verein begrüßt die Erstellung eines derart
ausführlichen Personalentwicklungskonzepts, die auch das Bemühen des
Justizministeriums um mehr Transparenz in Personalangelegenheiten
eindrucksvoll unter Beweis stellt.
Zu dem Entwurf ist aus Sicht des Vereins der Verwaltungsrichterinnen und
Verwaltungsrichter Folgendes anzumerken:
·
Auch der
Verein legt besonderen Wert auf die Feststellung, dass
Personalentwicklung eine sehr wichtige Aufgabe des Justizministeriums
und der Dienstvorgesetzten, aber auch etwa der Präsidien und der
Vorsitzenden der Spruchkörper ist.
·
Der
Entwurf des Personalentwicklungskonzepts ist aus unserer Sicht um zwei
Abschnitte zu erweitern.
Zum einen gehört zur
Personalentwicklung auch die Phase der Einstellung in den Justizdienst.
Dass diese Phase derzeit ausschließlich in den Händen des
Justizministeriums liegt, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Sie
wird aus unserer Sicht auch immer bedeutender, da die Attraktivität des
Justizdienstes in unserem Bundesland leider nicht zuletzt angesichts der
ungerechtfertigten Einschränkungen in finanzieller Hinsicht (vgl. dazu
unsere als Anlage beigefügte Stellungnahme vom 19. Oktober 2012 zum
Haushaltsbegleitgesetz 2013/14) erheblich sinken dürfte.
Zum anderen enthält das Personalentwicklungskonzept nur wenige
Ausführungen zu denjenigen Kolleginnen und Kollegen, die kein oder kein
weiteres Beförderungsamt mehr anstreben. Diese Kolleginnen und Kollegen
sind aber für das Funktionieren der Justiz unerlässlich und verdienen,
auch umfassender in den Blick genommen zu werden.
· Eine Probezeit „von rund vier Jahren“ (s. B.1 des Entwurfs unter der Überschrift „Lebenszeiternennung“) hält der Verein für unangemessen. Anzustreben ist eine zeitliche Orientierung an den in § 10 Abs. 1 DRiG genannten drei Jahren. Sollte eine Assessorin oder ein Assessor den Anforderungen des Justizdienstes nicht gerecht werden, so wird sich dies wohl in den seltensten Fällen erst nach Ablauf von drei Jahren erweisen. Das Hinausschieben der Lebenszeiternennung dient deshalb in aller Regel nicht der weiteren Erprobung. (Vom Gesetz nicht gedeckter) Zweck ist vielmehr die Möglichkeit eines vermeintlich flexibleren Einsatzes des Personals durch das Justizministerium.[1] Abgesehen davon ist eine zeitigere Lebenszeiternennung auch eine Maßnahme, die eine gewisse, nicht einmal mit Mehrkosten verbundene Wertschätzung der Kolleginnen und Kollegen zum Ausdruck bringt. Für viele Kolleginnen und Kollegen hat sie zudem auch Bedeutung etwa bei dem Wunsch, bereits in der Familiengründungsphase ein Eigenheim zu erwerben; für Lebenszeitrichterinnen und -richter wird eine Finanzierung durch ein Kreditinstitut regelmäßig einfacher sein als für Proberichterinnen und -richter.
·
Der
Verein ist der Auffassung, dass ein Abweichen von dem Erfordernis einer
mindestens achtjährigen Dienstzeit vor der Erprobungsabordnung in
Ausnahmefällen möglich sein muss. Insbesondere muss vermieden werden,
dass Abordnungsstellen nur deshalb unbesetzt bleiben, weil keine
Kollegin oder kein Kollege lediglich diese Voraussetzung nicht erfüllt.
·
Der
Verein regt ferner an, dass in das Konzept aufgenommen wird, dass
Assessorinnen und Assessoren möglichst frühzeitig dargelegt wird, welche
Erwartungen (nicht zuletzt im Hinblick auf Erledigungszahlen) an sie
bestehen. Hierfür bietet sich etwa das Drei-Monats-Gespräch an;
jedenfalls muss die Erwartungshaltung deutlich vor der ersten
Beurteilung klargestellt werden.
·
Das
Bekenntnis des Justizministeriums zu „Vereinbarkeit von Beruf und
Familie“ als Schwerpunktthema (C.3 des Entwurfs) ist sehr zu begrüßen,
ebenso das Vorhaben, den Wiedereinstieg in den Beruf z.B. nach der
Elternzeit zu erleichtern und dabei die Anbindung an die bisherige
Dienststelle möglichst zu erhalten (C.4 des Entwurfs). Der Verein weist
insoweit darauf hin, dass für die Aufnahme einer Teilzeittätigkeit nach
§ 7 Abs. 2 LRiG nach wie vor die Bereitschaft verlangt wird, diese auch
an einem anderen Gericht desselben Gerichtszweiges auszuüben. Das kann
sich als beträchtliche Hürde für die Aufnahme einer
Teilzeitbeschäftigung bzw. schon im Vorfeld für die Inanspruchnahme von
Elternzeit darstellen. Die Erwägung unter C.3 des Entwurfs, dass durch
die hohe Zahl der Gerichte und Staatsanwaltschaften im Land häufig eine
ortsnahe Verwendung möglich sei, mag auf die ordentliche Gerichtsbarkeit
zutreffen, aber nicht auf die Fachgerichtsbarkeiten mit wenigen
Gerichtsstandorten, die weit voneinander entfernt liegen. Wenn das
Ministerium der Vereinbarkeit von Beruf und Familie besonderen
Stellenwert beimisst, wäre hier eine Klarstellung angebracht, dass von
der nach § 7 Abs. 2 LRiG erforderlichen Zustimmung allenfalls in
Ausnahmefällen Gebrauch gemacht wird.
Schließlich möchte der Verein betonen, dass der Erstellung des
Personalentwicklungskonzepts dessen transparente und konsequente
Umsetzung nachfolgen muss.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Schenk
Richter am Verwaltungsgericht
[1]
Aus Sicht des Vereins ist die Notwendigkeit einer Verlängerung
der Probezeit hierfür nicht nachgewiesen. Insbesondere ist nicht
belegt, dass junge Lebenszeitrichterinnen und -richter
regelmäßig nicht flexibel sind, sondern „an ihrer Stelle
kleben“.
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